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THEORIE UND AKTION IN DER MARXISTISCHEN LEHRE


Content:

Theorie und Aktion in der marxistischen Lehre
Zusammenfassung
I. – Die Umkehrung der Praxis in der marxistischen Theorie
II.– Revolutionäre Partei und gewerkschaftliche Aktion
Anhang:
Vorwort
Schaubild I – Schema der falschen Theorie der »absteigenden Kurve« der historischen Entwicklung des Kapitalismus
Schaubild II – Schematische Darstellung des Wechsels der Klassenherrschaften im revolutionären Marxismus
Der Unterschied zwischen den beiden Konzepten
Schemata der sozialen Dynamik gemäss den Ideologien der herrschenden Klasse
Schaubild III – Transzendentalistisches (autoritäres) Schema
Schaubild IV – Liberaldemokratisches Schema
Schaubild V – Voluntaristisch-immediatistisches Schema
Schaubild VI – Stalinistisches Schema
Schaubild VII – Faschistisches Schema
Kommentare zu den Schaubildern III, IV, V, VI und VII
Schaubild VIII – Marxistisches Schema der Umkehrung der Praxis
Kommentar zum Schaubild VIII
Redaktionelle Anmerkungen
Source


Bericht zur Versammlung in Rom vom 1. April 1951

Theorie und Aktion in der marxistischen Lehre

Zusammenfassung

1.
Angesichts der Krise der revolutionären Ideologie, Organisation und Praxis ist es ein falsches Heilmittel, darauf zu vertrauen, dass der unvermeidliche allmähliche Niedergang des Kapitalismus bereits eingesetzt habe und am Ende dieser Entwicklung die proletarische Revolution warte. Die Kurve des Kapitalismus hat keinen absteigenden Ast.

2.
Die zweite historische internationale opportunistische Krise, die mit dem Zusammenbruch der Dritten Internationale einsetzte, beruht auf dem Konzept von Zwischenschritten – dem Versuch, zwischen der bürgerlichen und der proletarischen Diktatur allgemeine politische Übergangsziele einzuschieben. Es ist jedoch ein Irrtum zu glauben, man könne eine solche Konzeption vermeiden, indem man auf die besonderen wirtschaftlichen Forderungen der proletarischen Gruppen verzichtet.

3.
Die richtige marxistische Praxis besagt, dass das Bewusstsein des Einzelnen wie auch das der Masse dem Handeln nachfolgt, und dass das Handeln auf den Drang des ökonomischen Interesses folgt. Nur in der Klassenpartei gehen das Bewusstsein und, in bestimmten Phasen, die Entscheidung zum Handeln dem Zusammenstoss der Klassen voraus. Doch auch diese Möglichkeit ist organisch untrennbar mit dem molekularen Zusammenspiel der anfänglichen physischen und ökonomischen Impulse verbunden.

4.
Nach allen Traditionen des Marxismus sowie der italienischen und internationalen Linken sind die Arbeit und der Kampf in den proletarischen Wirtschaftsverbänden eine der unverzichtbaren Voraussetzungen für den Erfolg des revolutionären Kampfes, zusammen mit dem Druck der Produktivkräfte auf die Produktionsverhältnisse und der richtigen theoretischen, organisatorischen und taktischen Kontinuität der politischen Partei.

5.
Wenn im Verlauf der verschiedenen Phasen der bürgerlichen Laufbahn – revolutionär, reformistisch, antirevolutionär – die Dynamik der gewerkschaftlichen Aktion tiefgreifende Veränderungen erfahren hat (Verbot, Duldung, Unterordnung), so ändert dies nichts daran, dass es organisch unverzichtbar ist, zwischen der proletarischen Masse und der in der Partei organisierten Minderheit eine weitere Schicht von Organisationen zu haben, die prinzipiell politisch neutral, aber konstitutionell ausschliesslich für Arbeiter zugänglich sind, und dass solche Organisationen in der Phase des Herannahens der Revolution wiederentstehen müssen.

I – Die Umkehrung der Praxis in der marxistischen Theorie

1.
Ideologisches Durcheinander in den vielen internationalen Gruppen, die die stalinistische Richtung verurteilen und behaupten, auf der Linie des revolutionären Marxismus zu stehen. Unklarheit dieser Gruppen darüber, was sie als Analyse und Perspektive bezeichnen: die moderne Entwicklung der kapitalistischen Gesellschaft; die Möglichkeit einer Wiederaufnahme des revolutionären Kampfes des Proletariats.

2.
Es wird allen klar, dass die reformistische Interpretation des Marxismus mit den grossen Kriegen, den grossen inneren Auseinandersetzungen und dem bürgerlichen Totalitarismus gescheitert ist.

3.
Unterdessen stellt sich die Frage, ob, da mit der Zuspitzung der sozialen und politischen Spannung nicht die Stärkung, sondern die völlige Degeneration der ehemals revolutionären Parteien einhergeht, nicht eine Revision der marxistischen und auch der leninistischen Perspektive notwendig ist, die als Ergebnis des Ersten Weltkriegs und der russischen Revolution ein weltweites Auflodern des proletarischen Kampfes um die Macht erwartete.

4.
Eine völlig irrige Theorie ist die der absteigenden Kurve des Kapitalismus, die zu der falschen Frage führt, warum die Revolution nicht voranschreitet, während der Kapitalismus im Niedergang begriffen ist. Die Theorie der absteigenden Kurve vergleicht den historischen Verlauf mit einer Sinuskurve: Jedes Regime, wie das bürgerliche, beginnt eine Aufstiegsphase, erreicht ein Maximum und beginnt dann, bis zu einem Minimum abzusinken; danach steigt ein anderes Regime wieder auf. Diese Sichtweise ist die des gradualistischen Reformismus: Es gibt keine Erschütterungen, Sprünge oder plötzliches Umschlagen (siehe: Anhang, Schaubild I).

5.
Die marxistische Sichtweise lässt sich (aus Gründen der Deutlichkeit und Kürze) als viele Äste stets aufsteigender Kurven darstellen, die bis zu jenen Scheitelpunkten reichen (singuläre Punkte oder Kurvenspitzen in der Geometrie), auf die ein abruptes, fast vertikales Fallen folgt; von unten erhebt sich dann ein neues Gesellschaftsregime, ein weiterer historischer aufsteigender Ast (siehe: Anhang, Schaubild II).

6.
Damit übereinstimmend, was die einzige marxistische Sichtweise ist, sind seit einem Jahrhundert alle Phänomene der gegenwärtigen imperialistischen Phase völlig vorhersehbar: in der Ökonomie Trusts, Monopole, staatlicher Dirigismus, Verstaatlichungen; in der Politik straffe Polizeiregime, ausserordentliche Macht des Militärs usw.

7.
Ebenso klar ist die Position, derzufolge die proletarische Partei unter den neuzeitlichen Umständen keine graduellen Forderungen oder Bestrebungen zur Wiederherstellung und Wiederbelebung liberaler und toleranter Formen entgegenstellen darf.
Der gegenteilige Fehler der proletarischen Bewegung und vor allem der Dritten Internationale führte dazu, dass dem enormen kapitalistischen Potenzial kein vergleichbarer revolutionärer Druck entgegengesetzt wurde.
Die Erklärung dieses zweiten Zusammenbruchs der Klassenbewegung, schwerwiegender als der des Sozialpatriotismus 1914, führt zu den schwierigen Fragen nach den Verhältnissen zwischen wirtschaftlichen Triebfedern[1] und revolutionärem Kampf, zwischen den Massen und der Partei, die sie führen muss.

8.
Gleichermassen wie die Positionen jener Gruppen, die die Aufgabe und Notwendigkeit der Partei in der Revolution gering schätzen, die in den Ouvriérismus zurückfallen oder, schlimmer noch, zögern, die Staatsmacht in der Revolution einzusetzen, so müssen auch die Auffassungen als fehlgeleitet gelten, die die Partei lediglich als Zusammenschluss bewusster Elemente betrachten und ihre notwendigen Verbindungen zum physischen Klassenkampf sowie ihren Charakter als Produkt der Geschichte, als dessen eigener Faktor, nicht wahrnehmen.

9.
Diese Frage führt dazu, die Auslegung des marxistischen Determinismus wiederherzustellen, wie sie von der ersten Formulierung her entwickelt wurde, und dabei das Verhalten des einzelnen Individuums unter dem Einfluss ökonomischen Drangs und die Funktion kollektiver Körperschaften wie der Klasse und der Partei an die richtige Stelle zu setzen.

10.
Auch hier ist es nützlich, ein Schema zu umreissen, das die marxistische Umkehrung der Praxis erklärt. Beim Einzelnen geht es vom physischen Bedürfnis über das ökonomische Interesse zur nahezu automatischen Handlung zu dessen Befriedigung; erst danach treten Willensakte und zuletzt Bewusstsein sowie theoretisches Wissen hinzu. In der gesellschaftlichen Klasse verläuft der Prozess ebenso: nur dass alle in die gleiche Richtung wirkenden Kräfte enorm gesteigert werden. In der Partei, während von unten alle individuellen und klassenbezogenen Einflüsse einfliessen, entsteht aus ihrem Beitrag die Möglichkeit und Fähigkeit zu kritischer und theoretischer Einsicht sowie zum gewollten Handeln, die es erlaubt, den einzelnen Aktivisten und Proletariern die Erklärung von historischen Situationen und Prozessen sowie auch die Entscheidungen über Aktionen und Kämpfe zu vermitteln. (siehe: Anhang, Schaubild VIII) [Im Anhang, zu Schaubild VIII gehen als Einleitung fünf weitere Schaubilder voraus, die die Konzepte in deutlichem Gegensatz zum Marxismus (Schaubilder III und IV) oder, schlimmer noch, abwegig im Verhältnis zum Marxismus darstellen, da sie sich auf zweifelhafte Weise nicht auf alle, sondern nur auf einen Teil oder einzelne seiner Grundpostulate berufen (Schaubilder V, VI und VII).]

11.
Während also der Determinismus für das einzelne Individuum die Möglichkeit von Wille und Bewusstsein als Voraussetzung des Handelns ausschliesst, erkennt die Umkehrung der Praxis sie ausschliesslich in der Partei an, als Ergebnis einer allgemeinen geschichtlichen Ausarbeitung. Wenn also der Partei Wille und Bewusstsein zugeschrieben werden sollen, so muss verneint werden, dass sie aus dem Zusammenwirken des Bewusstseins und des Willens einzelner Individuen einer Gruppe hervorgeht, und ebenso, dass eine solche Gruppe auch nur im Geringsten ausserhalb der physischen, ökonomischen und gesellschaftlichen Determinanten der Klasse in ihrer gesamten Breite betrachtet werden könne.

12.
Daher ist die vermeintliche Analyse sinnlos, der zufolge alle revolutionären Bedingungen vorhanden seien, es fehle jedoch an einer revolutionären Führung. Es ist richtig zu sagen, dass das Führungsorgan unentbehrlich ist, doch sein Entstehen hängt von denselben allgemeinen Kampfbedingungen ab – niemals von der Genialität oder dem Wert eines Führers oder einer Avantgarde.

Diese Klärung der Verhältnisse zwischen ökonomisch-sozialen und politischen Gegebenheiten muss als Grundlage dienen, um das Problem der Beziehungen zwischen der revolutionären Partei und der wirtschaftlichen und gewerkschaftlichen Aktion zu veranschaulichen.

II – Revolutionäre Partei und gewerkschaftliche Aktion

Es ist notwendig festzuhalten, wie sich die italienische kommunistische Linke bezüglich der Gewerkschaftsfragen verhielt, um dann zu untersuchen, was sich im gewerkschaftlichen Bereich nach den Kriegen und den totalitären Regimen verändert hat.

1.
Als die italienische Partei noch nicht gegründet war, wurden auf dem Zweiten Kongress der Internationale im Jahr 1920 zwei grosse Taktikfragen erörtert: die parlamentarische und die gewerkschaftliche Aktion. Die Vertreter der antiparlamentarischen Strömung stellten sich damals gegen die sogenannte Linke, die die gewerkschaftliche Spaltung und den Verzicht auf die Eroberung der von Opportunisten geführten Gewerkschaften befürwortete. Diese Strömungen sahen letztlich im Gewerkschaftswesen und nicht in der Partei das Zentrum der revolutionären Aktion und wollten es unverdorben von bürgerlichen Einflüssen halten (holländische Tribunisten, die deutsche KAPD, amerikanische und schottische Syndikalisten usw.).

2.
Seit jener Zeit bekämpfte die Linke mit Nachdruck jene Bewegungen, die dem Turiner »Ordine Nuovo« ähnlich waren und die die revolutionäre Aufgabe darin sahen, die Gewerkschaften zugunsten der Bewegung der Fabrikräte aufzulösen. Sie verstanden diese als die Verknüpfung der wirtschaftlichen und staatlichen Organe der proletarischen Revolution, die mitten im Kapitalismus begonnen habe, und verwischten dabei auf schwerwiegende Weise die Unterschiede zwischen den Momenten und den Instrumenten des revolutionären Prozesses.

3.
Die parlamentarische und die gewerkschaftliche Frage stehen auf einer ganz anderen Ebene. Es ist unbestritten, dass das Parlament das Organ des bürgerlichen Staates ist, in dem vorgegeben wird, in ihm seien alle Klassen der Gesellschaft vertreten, und dass alle revolutionären Marxisten darin übereinstimmen, dass auf ihm keine andere Macht gegründet werden kann als die der Bourgeoisie. Die Frage ist, ob die Nutzung parlamentarischer Mandate den Zwecken der Propaganda und Agitation für den Aufstand und die Diktatur dienen kann. Die Gegner vertraten die Auffassung, dass selbst zu diesem einzigen Zweck die Beteiligung unserer Vertreter an einem gemeinsamen Organ mit den bürgerlichen Vertretern den gegenteiligen Effekt hervorruft.

4.
Die Gewerkschaften, unabhängig davon, wer sie leitet, sind berufliche Wirtschaftsverbände und vereinen stets Angehörige ein- und derselben Klasse. Es ist durchaus möglich, dass die organisierten Proletarier nicht nur gemässigte, sondern sogar bürgerliche Vertreter wählen und dass die Gewerkschaftsführung unter kapitalistischen Einfluss gerät. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, dass die Gewerkschaften ausschliesslich aus Arbeitern bestehen; daher wird man niemals von ihnen sagen können, was man vom Parlament sagt, nämlich dass sie nur einer bürgerlichen Leitung zugänglich seien.

5.
In Italien schlossen die Sozialisten vor der Gründung der Kommunistischen Partei aus, in den weissen Gewerkschaften der Katholiken oder in den gelben Gewerkschaften der Republikaner zu arbeiten. Die Kommunisten beschlossen dann, angesichts der grossen Konföderation, die überwiegend von Reformisten geleitet wurde, und der Gewerkschaftsunion, die von Anarchisten geführt wurde, ohne jegliches Zögern und einhellig, keine neuen Gewerkschaften zu gründen und stattdessen daran zu arbeiten, die jetzt bestehenden von innen heraus zu erobern, wobei sie sogar auf deren Vereinigung hinwirkten. Auf internationaler Ebene unterstützte die italienische Partei einmütig nicht nur die Arbeit in allen sozialdemokratischen nationalen Gewerkschaften, sondern auch die Existenz der Roten Gewerkschaftsinternationale (Profintern), welche die Amsterdamer Zentrale als unüberwindbar ansah, da sie über das Internationale Arbeitsamt mit der bürgerlichen Völkerbundsorganisation verbunden war. Die italienische Linke lehnte den Vorschlag, die Profintern aufzulösen, um eine einheitliche Gewerkschaftsinternationale zu schaffen, vehement ab und vertrat stets für die nationalen Gewerkschaften und Konföderationen das Prinzip der Einheit und der Eroberung von innen heraus.

6.
a) Die gewerkschaftliche Tätigkeit des Proletariats hat in den aufeinanderfolgenden historischen Phasen zu einer sehr unterschiedlichen Politik der bürgerlichen Mächte geführt. Da die ersten revolutionären Bourgeoisien jede wirtschaftliche Vereinigung verboten und sie als Versuch sahen, die unliberalen Zünfte des Mittelalters wiederherzustellen, und da jeder Streik gewaltsam unterdrückt wurde, nahmen alle frühen gewerkschaftlichen Bewegungen revolutionäre Züge an. Schon damals wies das »Manifest« darauf hin, dass jede wirtschaftliche und soziale Bewegung zu einer politischen Bewegung führt und von enormer Bedeutung ist, da sie die proletarische Vereinigung und Koalition ausdehnt, während ihre rein wirtschaftlichen Errungenschaften auf wackeligen Füssen stehen und die Ausbeutung der Klasse nicht angreifen.
b) In der folgenden Epoche hatte die Bourgeoisie verstanden, dass es für sie unerlässlich war, sich mit der sozialen Frage auseinanderzusetzen. Um eine revolutionäre Lösung zu verhindern tolerierte und legalisierte sie die Gewerkschaften und erkannte deren Handeln und Forderungen an. Dies geschah während der gesamten kriegsfreien Zeit und in einer Phase relativen Wohlstands, die bis 1914 andauerte.
Während dieser gesamten Periode war die Arbeit in den Gewerkschaften ein entscheidendes Element für die Bildung starker sozialistischer Arbeiterparteien, und es war offensichtlich, dass diese insbesondere durch den geschickten Einsatz gewerkschaftlicher Hebel grosse Bewegungen auslösen konnten.
Der Zusammenbruch der Zweiten Internationale zeigte, dass sich die Bourgeoisie durch ihre Beziehungen und Kompromisse mit den Gewerkschafts- und Parlamentsführern entscheidenden Einfluss auf einen grossen Teil der Arbeiterklasse verschafft hatte, die nahezu überall den Apparat der Parteien beherrschten.
c) Bei der Wiederbelebung der Bewegung nach der Russischen Revolution und dem Ende des imperialistischen Krieges ging es genau darum, die Bilanz des katastrophalen Scheiterns der gewerkschaftlichen und politischen Zusammenschlüsse zu ziehen, und es wurde versucht, das Weltproletariat auf revolutionäres Terrain zu führen, indem die verräterischen politischen und parlamentarischen Führer durch Parteispaltungen ausgeschaltet wurden und dafür gesorgt wurde, dass es den neuen kommunistischen Parteien gelang innerhalb der breitesten proletarischen Organisationen die Agenten der Bourgeoisie hinauszuwerfen. Angesichts der ersten kräftigen Erfolge in vielen Ländern sah sich der Kapitalismus gezwungen, um den revolutionären Vormarsch zu verhindern, nicht nur die Parteien, sondern auch die Gewerkschaften, in denen diese arbeiteten, mit Gewalt zu bekämpfen und für illegal zu erklären. Dennoch wurde in den komplexen Entwicklungen dieser bürgerlichen Totalitarismen niemals die Abschaffung der Gewerkschaftsbewegung vollzogen. Im Gegenteil, es wurde die Schaffung eines neuen gewerkschaftlichen Netzes propagiert und verwirklicht, das vollständig von der konterrevolutionären Partei kontrolliert und, in der einen oder anderen Form, als einziges und einheitliches System durchgesetzt sowie eng an das administrative und staatliche Gefüge gebunden wurde.
Selbst dort, wo nach dem Zweiten Weltkrieg der kapitalistische Totalitarismus nach der gängigen politischen Auffassung durch den demokratischen Liberalismus ersetzt zu sein schien, setzte sich die Gewerkschaftsdynamik ununterbrochen fort, vollständig unter staatlicher Kontrolle und eingebunden in die offiziellen Verwaltungsorgane. Der Faschismus, dialektischer Verwirklicher der alten reformistischen Forderungen, hat die rechtliche Anerkennung der Gewerkschaften so umgesetzt, dass diese Tarifverträge mit den Arbeitgebern abschliessen konnten, bis schliesslich die gesamte Gewerkschaftsstruktur in den Gliederungen der bürgerlichen Klassenherrschaft gefangen war.[2]
Dieses Ergebnis ist von grundlegender Bedeutung für die Verteidigung und Erhaltung des kapitalistischen Regimes, gerade weil der Einfluss und die Nutzung gewerkschaftlicher Organisationsstrukturen eine unverzichtbare Stufe für jede von der kommunistischen Partei geführte revolutionäre Bewegung darstellt.

7.
Diese radikalen Veränderungen der Gewerkschaftsverhältnisse gehen selbstverständlich nicht nur auf die politische Strategie der im Konflikt stehenden Klassen und ihrer Parteien und Regierungen zurück, sondern stehen auch in engem Zusammenhang mit dem veränderten Charakter der wirtschaftlichen Beziehung zwischen Arbeitgeber und Lohnarbeiter. In den ersten gewerkschaftlichen Kämpfen, mit denen die Arbeiter versuchten, dem Monopol über die Produktionsmittel das Monopol über ihre Arbeitskraft entgegenzusetzen, resultierte die Schärfe des Konflikts daraus, dass das Proletariat, seit langem aller seiner Konsumreserven beraubt, keinerlei andere Ressource besass als den täglichen Lohn, und jeder einzelne Kampf es in einen existenziellen Konflikt um Leben und Tod führte.
Es ist unbestreitbar, dass sich die marxistische Theorie des wachsenden Elends durch den stetigen zahlenmässigen Anstieg der reinen Proletarier und durch die unaufhörliche Enteignung der letzten Reserven proletarischer und mittlerer Gesellschaftsschichten – vervielfacht durch Kriege, Zerstörungen, Geldinflation usw. – bestätigt, und dass in vielen Ländern Arbeitslosigkeit und das unmittelbare Massensterben der Proletarier enorme Ausmasse erreichen; zugleich schafft jedoch dort, wo die industrielle Produktion blüht, für die beschäftigten Arbeiter die gesamte Bandbreite reformistischer Massnahmen der Fürsorge und Sozialversicherung eine neue Art wirtschaftlicher Reserve, die eine kleine Vermögensgarantie darstellt, die verloren gehen kann, in gewisser Weise vergleichbar mit der des Handwerkers oder Kleinbauern; der Lohnarbeiter hat also etwas zu verlieren, und dies (ein Phänomen, das Marx, Engels und Lenin bereits bei den sogenannten Arbeiteraristokratien beobachtet haben) macht ihn zögerlich und sogar opportunistisch im Moment des gewerkschaftlichen Kampfes und, schlimmer noch, beim Streik oder Aufstand.

8.
Über das aktuelle Problem in diesem oder jenem Land hinaus, sich an der Arbeit in bestimmten Gewerkschaften zu beteiligen oder sich als revolutionäre kommunistische Partei da herauszuhalten, führen die bisher zusammengefassten Elemente der Frage zu der Schlussfolgerung, dass auf alle Fälle bei jeder allgemeinen revolutionären Bewegung folgende grundlegende Faktoren vorhanden sein müssen:
1) ein breites und zahlenmässig starkes Proletariat reiner Lohnarbeiter;
2) eine grosse Bewegung von Vereinigungen mit wirtschaftlichem Inhalt, die einen erheblichen Teil des Proletariats umfasst;
3) eine starke revolutionäre Klassenpartei, der zwar nur eine Minderheit der Arbeiter angehört, der es jedoch im Verlauf des Kampfes gelungen ist, ihren Einfluss in der Gewerkschaftsbewegung wirksam und weitreichend dem Einfluss der bürgerlichen Klasse und ihrer Macht entgegenzusetzen;
Die Faktoren, die zur Feststellung der Notwendigkeit jeder einzelnen und aller dieser drei Bedingungen geführt haben, von deren geschickter Verbindung das Ergebnis des Kampfes abhängen wird, sind folgende: richtiger Ansatz der Theorie des historischen Materialismus, die das ursprüngliche ökonomische Bedürfnis des Einzelnen mit der Dynamik grosser sozialer Revolutionen verknüpft; richtige Sichtweise auf die proletarische Revolution in Bezug auf die Probleme von Wirtschaft, Politik und Staat; die Lehren der Geschichte aller Vereinigungsbewegungen der Arbeiterklasse, sowohl von ihren Glanzzeiten und ihren Siegen als auch von ihren Verfälschungen und Niederlagen.
Die allgemeinen Linien des hier Dargelegten schliessen nicht aus, dass es die verschiedensten Verbindungen bei der Veränderung, Auflösung oder Wiederherstellung gewerkschaftlicher Vereinigungen geben kann; von all jenen Vereinigungen, die sich in den verschiedenen Ländern zeigen, sei es in Beziehung auf die traditionellen Organisationen, die erklärtermassen auf dem Prinzip des Klassenkampfes basieren, sei es mehr oder weniger in der Beziehung auf die unterschiedlichsten gesellschaftlichen – auch fortschrittsfeindlichen – Verfahren und Richtungen.

Anhang

Vorwort

Auf der Versammlung in Rom am 1. April 1951 wurde der Bericht zum Thema »Die Umkehrung der Praxis in der marxistischen Theorie« durch die Präsentation und Kommentierung von acht Schaubildern ergänzt, von denen aus Gründen, die mit den Schwierigkeiten und Engpässen der Partei zu dieser Zeit zusammenhingen, nur drei (Schaubilder I, II und VIII) im »Bollettino interno« Nr. 1 vom 10. September 1951 im entsprechenden Anhang veröffentlicht wurden. Jede der drei Schaubilder wurde mit einem kurzen, aber ausreichenden Kommentar versehen, der sich mit dem bereits im schriftlichen Bericht Gesagten deckte.
Im aktuellen Anhang wurden erstmals die fünf weiteren Schaubilder (III, IV, V, VI und VII) aufgenommen, denen, ohne das Gesamtgleichgewicht zu verändern, ein einziger Kommentar folgt, der sich nur geringfügig von einer Lesart der fünf Schemata unterscheidet, ganz im Sinne der anderen drei Kommentare.
Die folgenden Überlegungen gelten für eine wirkungsvollere Nutzung dieser fünf Schaubilder, die die soziale Dynamik gemäss den grundlegenden Ideologien darstellen, mit denen sich die revolutionäre Bewegung des Proletariats auf theoretischer Ebene endgültig auseinandergesetzt hat und mit denen sie sich leider auf der Ebene des praktischen Kampfes noch auseinandersetzen muss.

Marx und Engels schrieben in der »Deutschen Ideologie«, 1846:

»Das Bewusstsein kann nie etwas Andres sein als das bewusste Sein, und das Sein der Menschen ist ihr wirklicher Lebensprozess. Wenn in der ganzen Ideologie die Menschen und ihre Verhältnisse wie in einer Camera obscura auf den Kopf gestellt erscheinen, so geht dies Phänomen ebensosehr aus ihrem historischen Lebensprozess hervor, wie die Umdrehung der Gegenstände auf der Netzhaut aus ihrem unmittelbar physischen.
Ganz im Gegensatz zur deutschen Philosophie, welche vom Himmel auf die Erde herabsteigt, wird hier von der Erde zum Himmel gestiegen. D. h., es wird nicht ausgegangen von dem, was die Menschen sagen, sich einbilden, sich vorstellen, auch nicht von den gesagten, gedachten, eingebildeten, vorgestellten Menschen, um davon aus bei den leibhaftigen Menschen anzukommen; es wird von den wirklich tätigen Menschen ausgegangen und aus ihrem wirklichen Lebensprozess auch die Entwicklung der ideologischen Reflexe und Echos dieses Lebensprozesses dargestellt. Auch die Nebelbildungen im Gehirn der Menschen sind notwendige Sublimate ihres materiellen, empirisch konstatierbaren und an materielle Voraussetzungen geknüpften Lebensprozesses. Die Moral, Religion, Metaphysik und sonstige Ideologie und die ihnen entsprechenden Bewusstseinsformen behalten hiermit nicht länger den Schein der Selbständigkeit. Sie haben keine Geschichte, sie haben keine Entwicklung, sondern die ihre materielle Produktion und ihren materiellen Verkehr entwickelnden Menschen ändern mit dieser ihrer Wirklichkeit auch ihr Denken und die Produkte ihres Denkens. Nicht das Bewusstsein bestimmt das Leben, sondern das Leben bestimmt das Bewusstsein. In der ersten Betrachtungsweise geht man von dem Bewusstsein als dem lebendigen Individuum aus, in der zweiten, dem wirklichen Leben entsprechenden, von den wirklichen lebendigen Individuen selbst und betrachtet das Bewusstsein nur als ihr Bewusstsein.
Diese Betrachtungsweise ist nicht voraussetzungslos. Sie geht von den wirklichen Voraussetzungen aus, sie verlässt sie keinen Augenblick. Ihre Voraussetzungen sind die Menschen nicht in irgendeiner phantastischen Abgeschlossenheit und Fixierung, sondern in ihrem wirklichen, empirisch anschaulichen Entwicklungsprozess unter bestimmten Bedingungen. Sobald dieser tätige Lebensprozess dargestellt wird, hört die Geschichte auf, eine Sammlung toter Fakta zu sein, wie bei den selbst noch abstrakten Empirikern, oder eine eingebildete Aktion eingebildeter Subjekte, wie bei den Idealisten.«[3]

Der historisch-dialektische Materialismus, indem er sich den Auffassungen aufklärerischer und idealistischer Prägung entgegenstellt, sieht daher in der Ideologie, d. h. in der verfälschten und auf den Kopf gestellten Darstellung der realen Verhältnisse, nicht die Frucht eines Irrtums, der, um den Blinden die Augen zu öffnen, zu berichtigen wäre, sondern das notwendige Ergebnis eines realen Prozesses, der den materiellen Verhältnissen entspricht, eben jener Verhältnisse, die die Ideologie in ihrer Verzerrung projiziert. Diese Verzerrung leitet sich ihrerseits notwendig aus der historischen Situation der gesellschaftlichen Kräfte ab, die sich in der Ideologie ausdrücken und die sie dem gesellschaftlichen Ganzen aufzwingen, wobei die herrschende Ideologie stets diejenige der herrschenden Klasse ist. Die marxistische Auffassung weist ebenso die aufklärerische Vorstellung von der »bewussten Täuschung« der Chefideologen (der »Priesterbetrug«[4]) zurück, da die ideologische Darstellung selbst – notwendig phantastisch, weil sie die Sublimierung eines geschichtlich vergänglichen Zustandes ist – sich gerade als notwendiges Programm und notwendiger Überbau der notwendigen gesellschaftlichen Faktoren und Übergänge aufdrängt. So gründet sich zum Beispiel die bürgerliche Ideologie auf die tatsächlich errungene Freiheit der Arbeiter von den feudalen rechtlichen Fesseln und Kleinbesitzverhältnissen; und auch die Bourgeoisie kann sie nicht verwerfen, weil sie damit sich selbst verwerfen würde.[5]

Aber wie die Rolle der Klassen, so unterliegt auch die der Ideologie der dialektischen Umwandlung von Antiformismus-Reformismus-Konformismus, wie sie in unseren »Richtlinien zur Wiederherstellung der marxistischen Lehre« dargestellt ist. Die einzige (und letzte) Klasse, das Proletariat, hat die geschichtliche Aufgabe, sich selbst zusammen mit allen anderen Klassen aufzuheben. Deswegen ist seine Sache nicht eine Ideologie, die einen reformistischen und konformistischen Charakter annehmen könnte, indem sie zu einer übergeschichtlichen Verfestigung seiner Herrschaft führte – sondern eine revolutionäre Wissenschaft, ja vielmehr bereits eine Wissenschaft der Gattung: nicht nur, weil das Proletariat (wie in der Vergangenheit andere Klassen) die Zukunft verkörpert, sondern weil diese Zukunft notwendig eine Gesellschaft der Gattung hervorbringen wird, frei von Klassen und den entsprechenden Konflikten – ein qualitativer Sprung von der klassenbehafteten Vorgeschichte zur vollen menschlichen Geschichte.

Die Gegenüberstellung des Marxismus zu den Ideologien, die in der Vergangenheit einander abgelöst haben und die heute noch in unterschiedlichem Masse das Feld beherrschen, ist daher streng geschichtlich und dialektisch, was nicht ausschliesst, sondern im Gegenteil einschliesst, dass einzig die universelle Wissenschaft, mit der er sich identifiziert, imstande ist, die wirklichen Prozesse zu rekonstruieren, die dem ideologischen Gerüst zugrunde liegen, und aufzuzeigen, wie die Ideologie die bestehende Realität verfälscht, unabhängig von jeglichem individuellen oder kollektiven »Bewusstsein«. Nachdem dies sehr kurz umrissen ist, wollen wir nun den Sinn und die korrekte Art des Gebrauchs der fünf Schemata erläutern.

Schaubild III – Transzendentalistisches (autoritäres) Schema

Typisch für die Offenbarungsreligionen, den Feudalismus und den theokratischen Absolutismus; übernommen auch von der modernen kapitalistischen Gesellschaft. Diese Auffassung beruft sich auf eine Gottheit, die im Akt der Schöpfung den Menschen einen Geist eingehaucht hat, der, indem er sich in jedem Einzelnen wiederfindet, die Gleichheit »vor Gott« – und somit wenigstens in der jenseitigen Welt – gewährleistet und ein Verhalten garantiert, das von gemeinsamen, göttlichen Urprinzipien inspiriert ist. Der Staat wiederum, indem er das Bewusstsein und die Tätigkeit der Einzelnen kontrolliert, ermöglicht die Entfaltung des geistigen und physischen Lebens in seiner hierarchischen Ordnung, die den »göttlichen« Plan widerspiegelt, wie er in den heiligen Schriften offenbart ist.

Schaubild IV – Liberaldemokratisches Schema

Es ist sehr unterschiedlichen ideologischen Ausdrucksformen gemeinsam, wie der Aufklärung mit ihren verschiedenen Nuancen (Empirismus, Sensismus, mechanistischer Materialismus), dem kantischen Kritizismus, dem objektiven und dialektischen Idealismus Hegels, dem Positivismus, dem Neoidealismus, dem libertären (Stirner, Bakunin) und reformistischen Immediatismus. Es handelt sich um die reinste Verabsolutierung des »demokratischen Prinzips«, das auf dem Ich beruht, welches, sei es als einzelnes Individuum, sei es als »Volksgeist«, »kollektiver Wille« usw., in sich selbst, in seinem Innersten, die Normen seines eigenen Verhaltens beinhaltet (dies kann, wie bei den Anarchisten, dazu führen, den Staat, als nicht repräsentativ für den kollektiven Willen, zu verneinen und ihn durch die »öffentliche Meinung« oder ähnliche Abstraktionen zu ersetzen, die dieselbe Funktion erfüllen wie der »ethische« Staat im klassischen bürgerlichen Denken, dessen unmittelbare Abkömmlinge sie übrigens sind). Ethisches Leben, wirtschaftliches Leben, der Wille, im äusseren Umfeld zu handeln, sind die Entfaltung der Bewusstseins- und Vernunftskräfte, die dem »menschlichen Geist« eigen sind, der in allen Einzelnen gegenwärtig ist (»Gleichheit vor dem Gesetz«). Der Staat, und die gesellschaftliche Organisation im Allgemeinen, wird daher als Projektion und zugleich als Garantie der Freiheit der Einzelnen aufgefasst: »Er ist die ethische Wirklichkeit der Idee.«

Schaubild V – Voluntaristisch-immediatistisches Schema

Typisch für die kleinbürgerliche, korporative Weltanschauung, also für opportunistische (Proudhonismus, Anarchosyndikalismus, Ouvriérismus, Ordinovismus, Räte-Sozialismus) und reformistische Formen (Labourismus usw.); sie fügt sich offenkundig in die liberale Auffassung ein, deren Variante sie darstellt. Hier wird sich das Individuum, das immer die Grundlage des Prozesses bildet, der physischen und ökonomischen Triebkräfte, die den Untergrund seiner Existenz darstellen, bewusst: dieses Bewusstwerden bestimmt den Willen, und dieser wiederum die Handlung. Die ökonomische und politische Organisation ergibt sich aus dem Zusammenfliessen der einzelnen Bewusstwerdungsprozesse: die Klasse ist ihrerseits das Ergebnis der Summierung und Vernetzung unmittelbarer Organisationen (sie ist also ein Begriff, der völlig losgelöst ist von jedem geschichtlichen Bezug – niemals eine Klasse an sich und für sich im marxistischen Sinne des Ausdrucks).

Schaubild VI – Stalinistisches Schema

Schema der Ideologie, die aus der stalinistischen Konterrevolution folgt. Auch hier ist es das einzelne Individuum, das zum Bewusstsein gelangt, allerdings erst, nachdem sein Handeln durch eine freie »Wahl«, eine Entscheidung, bestimmt worden ist. Kennzeichnend ist die Gleichstellung von Partei–Staat; doch da die ökonomischen Triebfedern und Interessen vom Einzelnen über die Klasse zur Staats-Partei gelangen und von dieser pseudo-»Zweiheit« zu Zwecken der Entscheidung und Führung verwendet werden, um praktische Richtungen und theoretische Orientierungen zu bestimmen, ist klar, dass innerhalb dieser »Zweiheit« die Partei in Wirklichkeit verschwindet und nur noch als »Legitimation des Staates« fortbesteht.

Schaubild VII – Faschistisches Schema

Der Faschismus ist definitionsgemäss eklektisch; er besitzt keine eigene Doktrin. Dennoch drückt er ideologisch seine Rolle als Vereiniger der kapitalistischen (imperialistischen) Kräfte aus, als Verwirklicher des reformistischen Programms und als Mobilisierer der »Mittelschichten«, mit einer Anschauung, die nicht zufällig der des Stalinismus analog ist. Wie der Stalinismus kann auch der Faschismus einige wesentliche bürgerliche ideologische Postulate nicht aufgeben, wie die rechtliche Gleichheit der Individuen, den »Volkswillen« und den »volkstümlichen« Charakter seiner Herrschaft. An die Stelle des Individuums als Ausgangspunkt tritt jedoch die »Nation«, das »Volk« und auch die »Rasse«, die die physischen Motivationen in erster Instanz aufnimmt (vgl. die nationalsozialistische Vorstellung von »Blut und Boden«) und sich im Staat ausdrückt. Das Individuum wird als »passiver Empfänger« ethischer Antriebe vermittels Volk-Nation sowie voluntaristischer und aktivistischer Impulse vermittels Partei-Staat begriffen.

 

Schaubild I

Schema der falschen Theorie der »absteigenden Kurve« der historischen Entwicklung des Kapitalismus

(siehe auch hier)

Schaubild I
Jahr (circa):
1850
1914
 ?
Feudalismus
kapitalistische Epoche
Sozialismus
aufsteigende Kurve
absteigende Kurve

Die gängige Behauptung, der Kapitalismus befinde sich auf dem absteigenden Ast und könne sich nicht wieder aufrichten, enthält zwei Irrtümer: den fatalistischen und den gradualistischen
Der erste ist die Illusion, dass, sobald der Kapitalismus seinen Abstieg vollendet hat, der Sozialismus von selbst kommen werde, ohne Erhebungen, Kämpfe und bewaffnete Auseinandersetzungen, ohne die Vorbereitung durch die Partei
Der zweite, der sich in der Tatsache ausdrückt, dass sich die Richtung der Bewegung unmerklich beugt, läuft darauf hinaus vorauszusetzen, dass Elemente des Sozialismus nach und nach in das kapitalistische Gefüge eindringen.

Schaubild II

Schematische Darstellung des Wechsels der Klassenherrschaften im revolutionären Marxismus

(siehe auch hier)

Schaubild II
Feudalismus
kapitalistische Epoche
Sozialismus

Marx hat keinen Aufstieg und einen darauf folgenden Niedergang des Kapitalismus vorausgesehen, sondern vielmehr die gleichzeitige und dialektische Steigerung der Gesamtheit der Produktivkräfte, die der Kapitalismus beherrscht, ihre unbegrenzte Akkumulation und Konzentration, und zugleich die antagonistische Gegenreaktion, die von den beherrschten Kräften ausgeht, nämlich der proletarischen Klasse. Das allgemeine produktive und wirtschaftliche Potenzial steigt ständig an, bis es aus der Balance gerät und eine explosive, revolutionäre Phase eintritt, in der – innerhalb eines sehr kurzen, stürmischen Zeitraums – mit dem Zusammenbruch der alten Produktionsformen die Produktivkräfte zurückfallen, um sich neu zu ordnen und erneut einen noch mächtigeren Aufstieg zu beginnen.

Der Unterschied zwischen den beiden Konzepten

Der Unterschied zwischen den beiden Auffassungen, auf die sich die Schaubilder I und II beziehen, lässt sich in der Sprache der Geometer folgendermassen ausdrücken: Die erste Kurve oder Kurve der Opportunisten (Revisionisten wie Bernstein, nacheifernde Stalinisten, pseudo-marxistische revolutionäre Intellektuelle) ist eine durchgehende Kurve, die in allen Punkten »eine Tangente zulässt«, d. h. praktisch durch kaum wahrnehmbare Veränderungen von Intensität und Richtung verläuft. Die zweite Kurve, mit der ein vereinfachendes Bild der viel gerügten »Katastrophentheorie« gegeben werden sollte, weist in jeder Epoche Spitzen auf, die in der Geometrie »Spitzen« oder »singuläre Punkte« genannt werden. An solchen Punkten verschwindet die geometrische Kontinuität, und damit die historische Gradualität; die Kurve »hat keine Tangente« oder »lässt alle Tangenten zu« – wie in der Woche, die Lenin nicht vorbeiziehen lassen wollte.
Es ist nur anzumerken, dass die allgemein aufsteigende Tendenz nicht mit idealistischen Vorstellungen vom unendlichen menschlichen Fortschritt verbunden werden darf, sondern sich auf die historische Tatsache des fortwährenden Anwachsens der materiellen Masse der Produktivkräfte im Verlauf der grossen revolutionären historischen Krisen bezieht.

 

Schemata der sozialen Dynamik gemäss den Ideologien der herrschenden Klasse

Im Folgenden werden die schematischen Darstellungen der sozialen Dynamik gemäss den grundlegenden Ideologien wiedergegeben, mit denen sich die revolutionäre Bewegung des Proletariats auf verschiedenen Ebenen auseinandersetzen musste und muss (gemäss den Ausführungen im Vorwort), um ihnen dann das marxistische Modell der Umkehrung der Praxis gegenüberzustellen.

Schaubild III

Transzendentalistisches (autoritäres) Schema

Kommentare

Schaubild III Schaubild II
physisches Leben
Ökonomie
Handeln
Richtung der Autorität
Wille, Sittlichkeit
Bewusstsein
Glaube
Individuum
Staat
Gottheit
Schaubild IV

Liberaldemokratisches Schema

Kommentare

Schaubild IV Schaubild IV
physisches Leben
Ökonomie
Handeln
Richtung der Freiheit
Wille, Sittlichkeit
Vernunft
Bewusstsein
Individuum
Gesellschaft
Staat
Schaubild V

Voluntaristisch-immediatistisches Schema

Kommentare

Schaubild V
Handeln
Wille
Bewusstsein
ökonomische Triebfedern
physische Triebfedern
Individuum
Organisation1
Klasse
1 Fabrikräte, Kooperati­ven, Gewerkschaft, par­lamentarische Partei
Schaubild VI

Stalinistisches Schema

Kommentare

Schaubild VI
Bewusstsein
Handeln
Wille
ökonomische Triebfedern
physische Triebfedern
Individuum
Klasse
Staat
Partei
Schaubild VII

Faschistisches Schema

Kommentare

Schaubild VII
Bewusstsein
Handeln
Wille, ethische Triebfedern
ökonomische Triebfedern
physische Triebfedern
Individuum
Volk
Nation
Staat
Partei

 

Kommentare zu den Schaubildern III, IV, V, VI und VII

Die Schaubilder III und IV (sowie die Schaubilder V, VI und VII) werden gemeinsam dargestellt, da sie sich, trotz ihrer Verschiedenheit, auf gemeinsame Nenner zurückführen lassen.

Bei den schematischen Darstellungen des Transzendentalismus und des liberaldemokratischen Denkens, obwohl im einen die Richtung der Autorität vom Staat zum Individuum verläuft, während im anderen die Richtung der Freiheit vom Individuum zur Gesellschaft und zum Staat geht, ist es in beiden Fällen die Idee (im einen von der Gottheit ausgehend, im anderen von allen Einzelnen der menschlichen Gemeinschaft ausströmend), die das menschliche Handeln bedingt und bestimmt. In beiden Fällen verläuft der logische Weg vom Bewusstsein (im ersten als Glaube, im zweiten als Rationalität verstanden) über den Willen (in beiden als Ethik verstanden) hin zum physischen Leben, dem Handeln, der Wirtschaft.

Bei den volontaristisch-immediatistischen, den stalinistischen und den faschistischen Schemata bilden die physischen und wirtschaftlichen Triebfedern die Grundlage ihrer Konstruktion; mit diesem gemeinsamen Merkmal stehen sie den beiden vorhergehenden idealistischen Schemata entgegen. Gleichzeitig haben sie mit diesen die Vorrangstellung und Dominanz des Willens über das Handeln in Bezug auf das Individuum und die Klasse (beim Faschismus auf das Volk oder die Nation) gemeinsam. Ein weiteres gemeinsames Merkmal dieser drei voluntaristischen Schemata (einschliesslich der individualistischen, die von Proudhon, Sorel, Bernstein, Gramsci usw. vertreten wird; und darin ist es schlechter als die beiden anderen): die parallele Abfolge von wirtschaftlichen Triebfedern, Willen, Handeln und Bewusstsein, wie sie zwischen Partei und Staat (der unmittelbaren Organisation) einerseits und dem Individuum und der Klasse (beim Faschismus das Volk oder die Nation) andererseits zu beobachten ist, was der Partei eine wissenschaftliche Theorie der sozialen Phänomene verunmöglicht.

Nur im marxistischen Schema ist die Abfolge von Handeln, Willen und Bewusstsein des Individuums und der Klasse völlig umgekehrt in der Partei, deren Kenntnis der gesellschaftlichen Gegebenheiten Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft umfasst und sich auf das Niveau einer wissenschaftlichen Theorie erhebt, wodurch die Möglichkeit entsteht, ein Wollen und ein Wirken zu praktizieren, wie im folgenden Schaubild VIII gezeigt wird.

Schaubild VIII

Marxistisches Schema der Umkehrung der Praxis

Kommentar

Schaubild VIII Schaubild VIII Schaubild VIII Schaubild VIII Schaubild VIII
Produktions­formen und −verhätnisse1
Einzelner Arbeiter
Arbeiter­klasse
Klassen­partei
Theorie, Lehre (Bewusstsein)
Entscheidung (Wille)
Handeln, Aktion (Praxis)
Ökonomische Interessen
Physiologische Triebfedern
1 (traditionelle Ordnung, privilegierte Klasse)
Ökonom. Determinierung
Konservativer Einfluss
In der Partei vereinte Bestrebungen
Revolutionärer Einfluss

Kommentar zum Schaubild VIII

Der Zweck des Schemas besteht lediglich darin, die Konzepte des ökonomischen Determinismus zu vereinfachen. Beim einzelnen Individuum (und somit auch beim einzelnen Proletarier) ist es nicht das theoretische Bewusstsein, das den Willen bestimmt, auf das äussere Umfeld zu wirken, sondern das Gegenteil geschieht, wie das Schema mit Pfeilen von unten nach oben zeigt: Der Druck der physiologischen Bedürfnisse bestimmt über das ökonomische Interesse eine nicht bewusste Handlung, und erst lange nach der Handlung erfolgt deren Kritik und Theorie durch das Eingreifen anderer Faktoren.

Die Gesamtheit der Einzelnen, die sich in derselben wirtschaftlichen Lage befinden, verhält sich in ähnlicher Weise (wie das Schema mit Pfeilen zeigt, die von unten nach oben verlaufen); doch das Zusammentreffen von Reizen und Reaktionen schafft die Voraussetzung für einen klareren Willen und dann für Bewusstsein. Diese konkretisieren sich erst in der Klassenpartei, die einen Teil der Mitglieder jener Klasse umfasst, aber die umfassende Erfahrung all ihrer Triebfedern, Reize und Reaktionen ausarbeitet, analysiert und verstärkt. Nur die Partei ist es, die es vermag, die Richtung der Praxis umzukehren. Sie besitzt eine Theorie und hat daher Kenntnis von der Entwicklung der Ereignisse: innerhalb gegebener Grenzen, je nach den Situationen und den Kräfteverhältnissen, kann die Partei Entscheidungen und Initiativen ausüben und den Verlauf des Kampfes beeinflussen (wie das Schema mit Pfeilen, die von oben nach unten gerichtet sind, zeigt).

Mit Pfeilen, die von links nach rechts gerichtet sind, wollte man die Einflüsse der traditionellen Ordnung (Produktionsformen) darstellen; und mit Pfeilen, die von rechts nach links gerichtet sind, die antagonistischen, revolutionären Einflüsse.

Das dialektische Verhältnis besteht darin, dass die revolutionäre Partei nur insofern ein bewusster und willentlicher Faktor der Ereignisse ist, als sie auch ein Ergebnis dieser Ereignisse und des Konflikts ist, den sie zwischen alten Produktionsformen und neuen Produktivkräften enthalten. Diese theoretische und aktive Funktion der Partei würde jedoch hinfällig, wenn ihre substantiellen Bindungen von der Einbringung des gesellschaftlichen Umfelds, vom ursprünglichen, materiellen und physischen Klassenkampf abgeschnitten würden.

Redaktionelle Anmerkungen:
[prev.] [content] [end]

  1. Unter den physischen/physiologischen Triebfedern sind die Kräfte und Impulse zu verstehen, die unmittelbar auf den Körper des Individuums einwirken (Hunger, Durst, Frost, Wetter usw.) und es zum Handeln zwingen, den Arbeiter also unter den gegebenen Gesellschaftsverhältnissen zum Verkauf seiner Arbeitskraft.
    Unter wirtschaftlichen/ökonomischen Triebfedern sind diejenigen Impulse zu verstehen, die nach dem Verkauf der Arbeitskraft, also in der betrieblichen Umgebung entstehen, wo der Arbeiter nicht mehr alleine sondern unter seinen Leidensgenossen ist und von daher ein gemeinschaftliches Bedürfnis hervorgerufen wird, zumindest die konkreten Arbeitsbedingungen zu verändern. Oder, wenn der Verkauf der Arbeitskraft massenhaft missglückt, zusammen mit den anderen Hungerleidern zu versuchen allgemein günstigere Verhältnisse zur Existenzsicherung herbeizuführen.

  2. Im Unterschied zu Italien wurden in Nazi-Deutschland Gewerkschaften wie auch die Arbeitgeberverbände 1933 aufgelöst und in der »Deutschen Arbeitsfront« quasi organisatorisch zusammengefasst und die Betriebe nach dem Führerprinzip geordnet: der Unternehmer wurde »Betriebsführer«, die Belegschaft wurde zu seiner treuepflichtigen »Gefolgschaft« degradiert. Tarifverträge gab es keine mehr, stattdessen wurden »Lohnrahmen-« oder »Tarifordnungen« festgelegt, unter Aufsicht und nach Massgabe des Reichsarbeitsministeriums.
    In Italien dahingegen blieben zumindest formell Arbeitgeber und Arbeitnehmer bis 1934 getrennt in »Korporationen« organisiert und es wurden Tarifverträge ausgehandelt, die jedoch unter Aufsicht des Arbeitsministeriums abgeschlossen wurden. In der faschistischen »Carta del lavoro« (»Charta der Arbeit«) von 1926 hiess es im Artikel IV: »Im Tarifvertrag findet die Solidarität zwischen den verschiedenen Produktionsfaktoren ihren konkreten Ausdruck, indem die gegensätzlichen Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern in Einklang gebracht und den übergeordneten Interessen der Produktion untergeordnet werden.« Ein Schelm, wer dabei an den 1949 in der BRD gegründeten DGB denkt…! So ist in den »Wirtschaftspolitischen Grundsätzen des Deutschen Gewerkschaftsbundes« vom Oktober 1949 demokratisch aufgehübscht zu lesen: »Die Wirtschaftspolitik ist eines der wichtigsten Mittel zur Steigerung der wirtschaftlichen Gesamtleistung. Sie ist zugleich ein Kampfplatz, auf dem sich entscheidet, wieviel die einzelnen Interessengruppen an Arbeit und Leistung für die Gesamtheit aufzubringen haben und in welchem Umfange sie am volkswirtschaftlichen Ertrag beteiligt werden.«
    Der schon 1946 gegründete FDGB auf dem späteren Territorium der DDR war von Anfang an von Stalinisten dominiert. Schon gegen Ende 1947 wurden Steigerung der Arbeitsleistung, »Wettbewerbe« zur Erhöhung der Produktion (erinnert sei an Adolf Hennecke der im Oktober 1948 in einer Schicht die geltende Arbeitsnorm um das fast Vierfache überbot) zum zentralen Anliegen der FDGB-Politik, der bald in das Staatswesen eingepasst war. Sogenannte »Rahmenkollektivverträge« wurden nach Massgabe der Wirtschaftspläne weniger »ausgehandelt« als abgesprochen.
    Während des klerikalfaschistischen Systems in Österreich von 1934 bis zum »Anschluss« an das Dritte Reich 1938 wurde – nach dem Verbot des sozialdemokratisch beherrschten »Bund freier Gewerkschaften« – der »Gewerkschaftsbund der österreichischen Arbeiter und Angestellten«, pünktlich zum 1. Mai 1934, ins Leben gerufen. Das Modell glich eher dem bis 1934 in Italien gültigen System, Verhandlungspartner für die Kollektivverträge waren sogenannte »Unternehmer-Bünde«. Der schon 1945 – mit Genehmigung der sowjetischen Militärkommandantur in Wien – gegründete wiederum sozialdemokratisch dominierte heutige ÖGB sah sich sogleich einer Politik der »Wirtschaftspartnerschaft« verpflichtet. Das Motto lautete: »Wirtschaftsordnung durch Zusammenarbeit«!

  3. Karl Marx, Friedrich Engels, »Die deutsche Ideologie«, MEW, Bd. 3, S. 26f.

  4. Während der Aufklärungsperiode (ca. 1650–1800) versuchten vor allem die frühen materialistischen Philosophen religiöse Aussagen als betrügerische Erfindungen religiöser Amtsträger darzustellen, denen es dabei nur um Macht, Reichtum und Ansehen ginge. Damit sollte auch die Verquickung der Kirche mit dem überkommenen Feudalsystem, insbesondere dem Ancien Régime in Frankreich, angegriffen werden. Als Begründer der sogenannten »Lehre vom Priester- und Herrentrug« gelten Paul-Henri d’Holbach (1723–1789) und Claude-Adrien Helvétius (1715–1771).

  5. Dies ist nicht ganz falsch, aber dennoch nicht richtig ausgedrückt: die bürgerliche Ideologie gründet sich auf die Freiheit jedes Einzelnen – nicht nur des Arbeiters, sondern aller Gesellschaftsmitglieder (und sehen wir mal von den anfänglichen Einschränkungen bezüglich der Frauen ab) – als Rechtssubjekt. Die Freiheit (und Gleichheit) des bürgerlichen Individuums besteht darin mit anderen Verträge abzuschliessen. Der »Trick« dabei ist, dass der Vertrag zwischen dem Unternehmer (Besitzer der Produktionsmittel) und dem Arbeiter (dem sonst mittellosen Verkäufer der Arbeitskraft) ein Vertrag zwischen sozial Ungleichen ist und der Bourgeois natürlich bei der Aushandlung des Vertrags stets am längeren Hebel sitzt und dies für gewöhnlich auch weidlich ausnutzt (und sich natürlich den bei der Verausgabung der gekauften Arbeitskraft entstehenden Mehrwert aneignet). Da die Feudalgesellschaft mit ihren Leibeigenschafts- und Knechtschaftsverhältnissen der ungehinderten Zufuhr freier Lohnarbeiter im Wege stand, deren Ausbeutung aber für den Bourgeois auf Gedeih und Verderb unabdinglich ist, musste für ihn also auch der Arbeiter in seinem bürgerlichen Sinne »frei« sein. Diese dem Ausbeuter so am Herzen liegende »Freiheit« der Arbeiter bedeutet aber für dieselben nur »Lohnsklaverei«: »Wenn sich die Arbeiter dagegen die Lehre von Marx angeeignet haben, d. h., wenn sie sich darüber klargeworden sind, dass die Lohnsklaverei unvermeidlich ist, solange die Herrschaft des Kapitals andauert, dann werden sie sich von keinerlei bürgerlichen Reformen täuschen lassen.« (Lenin, LW, Bd. 19, S. 363)


Source: Dal «Bollettino Interno», № 1 vom 10 September 1951. Übersetzung: M&K.

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